Der Mensch als Tragling

Unter dem heutigen Wissensstand unterscheidet man bei Wirbeltieren 3 Typen von Jungen: 

NESTHOCKER, wie z.B. Vogel & Maus: Sie kommen unreif zur Welt, sind blind und nackt und werden im Nest abgelegt. Hier warten sie oft Stunden auf die Mutter und Nahrung bis sie irgendwann selbstständig werden.

NESTFLÜCHTER, wie z.B. Pferd & Rind: Sie kommen ziemlich reif zu Welt, Augen und Ohren sind bereits geöffnet und sie können dem Muttertier und somit der Nahrungsquelle rasch nach der Geburt folgen.

 

TRAGLING, wie z.B. Affe (aktiver Tragling) oder Känguru (passiver Tragling): Äußerlich haben sie die Reife eines Nestflüchters, können sich aber nicht selber fortbewegen, weshalb sie vom Muttertier getragen werden.

 

Der Mensch gilt als Frühgeburt. Er ist noch viele Monate nach der Geburt komplett auf Bezugspersonen, am Anfang in erster Linie auf eine, meist die Mutter, angewiesen. Das Tragen im Tuch oder in einer entsprechenden Tragehilfe optimiert vor allem die Reifung der Hüftgelenke und der Wirbelsäule.

Warum der Mensch aus biologischer Sicht zu den Traglingen zählt:

  • Er kann der Mutter nicht selbstständig folgen, besitzt aber noch ausgeprägte Greif- und Klammerreflexe.
  • Hebt man einen Säugling hoch, geht er automatisch in eine Anhock-Spreizhaltung.
  • Der Verdauungstrakt und der geringe Fettgehalt der Muttermilch sind ausgelegt auf viele kleine Mahlzeiten in kurzen Abständen.
  • Ein abgelegter Säugling hätte zu Urzeiten den sicheren Tod bedeutet. Man weiß, dass ein Säugling, der sich verlassen fühlt, alle Energie darauf verwendet, seine Bezugsperson herbeizuholen.

Da das Sesshaftwerden, das das Ablegen des Säuglings erstmals sicherer machte, „erst“ vor 10. – 12.000 Jahren geschah, die Evolution des Menschen aber schon Millionen von Jahren dauert, ist das Tragen immer noch in unseren Genen verankert. Es wirkt also nicht umsonst beruhigend auf das Kind: Es hört und spürt den Herzschlag und die Atmung der Mutter und fühlt sich durch ihren unverkennbaren Geruch in Sicherheit.